Dieser Text ist der „Anhang“ an die Frage, ob Freiheit Recht oder Pflicht ist (hier könnt ihr das nochmal nachlesen). Ich finde ihn aber zu wichtig, um ihn nur als Zusatz zu einem anderen Gedanken zu veröffentlichen. Deswegen habe ich ihn noch einmal als separaten Eintrag zur Verfügung und zur Diskussion gestellt.
Die Frage danach, ob Freiheit Recht oder Pflicht ist, muss für diese Extremsituation noch einmal neu verortet werden: Wir können unsere Pflicht Freiheit auszuüben nicht nur umsetzen, wir müssen es sogar. Und dafür zu streiten, sie immer wieder neu einzufordern auch und gerade gegen Widerstände ist meiner Auffassung nach aktuell Teil dieser Pflicht. Zusätzlich legen die Demonstrationen Augenmerk auf einen Fakt, der im Freiheitsdiskurs nicht fehlen darf und den ich ebenso unterschlagen hätte, weil er bei mir auch oft von meinem Privilegien-umrahmten blinden Fleck überlagert wird:
Freiheit ist nicht gleich verteilt.
Ob wir unser Grundrecht ausüben dürfen, ob wir guten Gewissens und geschützt von Recht und Gesetz dafür kämpfen (können) und wie unserer Forderung nach Freiheit begegnet wird, hängt davon ab, wer wir sind, welches Geschlecht wir haben oder welche Hautfarbe und davon, welcher soziale Status uns anerkannt wird. In meiner Wortwahl liegt hier die Crux: Ich habe „anerkannt“ geschrieben. Nicht welchen Status wir haben oder einnehmen. Denn die Freiheit, darüber zu entscheiden, wie man uns und unsere Handlungen wahrnimmt, haben wir nicht. Aber wir können entscheiden, welchen Status und welches Recht auf individuelle Freiheit wir anderen Menschen zugestehen. Und diese Aufgabe haben vor allem wir: Weiße, Privilegierte, Gebildete.
Meine Freiheit ist Deine Freiheit
Freiheit ist immer die Aufgabe derjenigen, die sie haben. Wir, die wir schwarze Bilder posten. Wir, die wir irgendwie davon angegriffen sind, dass wir jetzt in Sippenhaft genommen werden für unser Weißsein. Wir die wir gerne helfen würden, aber zu allererst einmal anerkennen sollten, dass wir – so gut wir es meinen – Teil des Problems sind. Mit unseren blinden Flecken, mit unserem Schock darüber, was passiert ist und der Scham, dass es eigentlich nur deswegen schockiert, weil es diesmal so sichtbar war. Schwarze und der strukturelle Rassismus gegen sie (und viele andere, die wir als „fremd“ decodieren), haben nicht erst seit George Floyd Bedeutung. #Blacklivesmatter schon viel länger.
Was tun? Mitreden, im Gespräch bleiben, spenden (z.B. hier) – und das mit Nachdruck und lagem Atem. Um es mit den Worten der Journalistin Alice Hasters zu sagen: „Antirassismus ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“ (Quelle: DLF). Das Wichtigste dabei: Wir müssen uns selbst hinterfragen. Darin liegt die Schönheit des Anti-Rassismus, so die amerikanische Schriftstellerin Ijeoma Oluo:
„The beauty of anti-racism is that you don’t have to pretend to be free of racism to be an anti-racist. Anti-racism is the commitment to fight racism wherever you find it, including in yourself. Ant that’s the only way forward.“
Ijeoma Oluo, Twitter