Verschwörungserzählungen sind eine trickreiche Angelegenheit. Das haben die Beiträge dieser Reihe bereits gezeigt: Sie sind weiter verbreitet und wir empfänglicher dafür, als wir es uns wünschen würden – auch weil sie einen seelischen Nutzen für uns haben. Außerdem ist die mediale Umgebung, in denen sie stattfinden ein Katalysator für ihre Wirksamkeit und Verbreitung (hier mehr dazu). Im letzten Teil der Reihe soll es nun um innere Faktoren gehen, die die Wahrnehmung und damit auch den Erfolg von Verschwörungsmythen auf der öffentlichen Arena, beeinflussen. Am Ende gibt es außerdem einige Tipps, wie wir der Verbreitung von Verschwörungserzählungen entgegnen können.
Im Wesentlichen können zwei psychologische Katalysatoren benannt werden, die Verschwörungserzählungen in der Öffentlichkeit und unserer Wahrnehmung festbrennen: Die Macht der Wahrnehmung und der Confirmation Bias.
Ich sehe was, was du auch siehst
Wer hat vor einem Jahr gewusst, wer oder was QAnon ist? Ich auch nicht. Heute sind sie in aller Munde und auf aller Bildschirmen und wir glauben, es gibt die Anhänger:innen überall. Das liegt vor allem an dem vermehrten Auftreten in den Medien – längst hat die ARD einen Info-Beitrag darüber gesendet, Youtuber:innen erklären, was dahinter steckt und auf den Bildern des Kapitol-Stürmens gingen die Flaggen um die Welt. Der US-Verschwörungs-Forscher Mike Rothschild hat die Gruppierung seit ihren ersten Tagen untersucht. Er sieht enge Überschneidungen in der Verbreitung von QAnon und Mythen, die sich um das Coronavirus ranken: „QAnon fand man zunächst in den schlimmsten Ecken des Internets. Aber dann stieß die Generation der Baby-Boomer darauf und teilte diese Inhalte auf Facebook.“
Was wir sehen ist da – was nicht, das nicht.
Laut der Theorie der Schweigespirale schaffen es vor allem die lauten Botschaften über die Oberfläche des Bewusstseins der Öffentlichkeit – sogar dann, wenn das nicht der Mehrheitsmeinung entspricht. Daher überschätzen wir beispielsweise die Bedeutung von Verschwörungserzählungen – und die Verschwörungserzählenden sich selbst. Das wiederum stärkt die Gruppenwahrnehmung. Wissenschaftler:innen sehen die Medienschaffenden hier in einer Verantwortung: sie müssten sensibilisiert sein, dass sie die Realität nicht verzerrt darstellen – sobald Maßnahmengegner:innen und Demonstrationen sehr präsent sind, erweckt das schnell einen falschen Eindruck. Und dazu kommt: Wiederholungen setzen diese Theorien fest. Deswegen gibt es hier auch keine Beispiele – wir möchten dem Ganzen nicht dienen.
Nicht nur der Umfang der Berichterstattung auch die Art und Weise hat einen Einfluss – grenzt sie ab und aus, erleben Menschen Widerstand. Gleiches gilt für die Zugänglichkeit für Fakten: Es geht in der Regel nicht darum, dass Menschen Fakten nicht verstehen – sie wollen viel mehr auf eine gewisse Art und Weise verstanden werden. Oder anders: Berichterstattung kann motivieren, sich mit den Fakten auseinander zu setzen oder aber dazu führen, dass Menschen noch tiefer in eine Verschwörungserzählung zurückweichen.
Hallo Echo!
Viele Vorwürfe bekommen auch große Medienkonzerne für ihre Algorithmen, die es wahrscheinlicher machen, dass wir Verschwörungserzählungen sehen, wenn wir uns einmal dafür interessiert haben. Aber das sind nicht die einzigen Fehlfunktionen: Auch Echokammern und Meinungsblasen, die wir uns selber schaffen, sind mitverantwortlich. Sie schaffen den heimatlichen Rahmen für Botschaften, die sich plötzlich ganz normal anfühlen, da sie ja irgendwie immer wieder vorkommen.
Confirmation bias – das passt ja!
Egal, worum es geht: es ist doppelt so wahrscheinlich, dass wir uns Informationen suchen, die sich mit den eigenen Überzeugungen vereinbaren lassen. Dahinter steckt der „confirmation bias“ (die Verzerrung durch Bestätigung) – ein sehr gut erforschter Mechanismus der besonders effizient Bestätigungsfehler verursacht, wenn es um politische Ansichten oder die eigenen Werte geht. Was nicht passt, fliegt raus. Dazu kommt, dass wir vor allem das glauben, was viele Menschen teilen – die Masse macht’s (wahr). Das ist einer der wichtigsten Mechanismen und Gründe dafür, warum Anhänger:innen von Verschwörungsmythen oftmals mit Fakten nur schwer zu erreichen sind.
Aber was hilft denn nun?
Das erste, was wirklich hilft, habt ihr bereits getan, wenn ihr diese Reihe aufmerksam gelesen habt: Ihr seid sensibel für die inneren Fallstricke und Verführungen. Wir können uns nicht allen psychologischen Mechanismen entziehen – aber das Wissen über mögliche Motivatoren oder verzerrte Wirklichkeiten kann helfen, um eine gesunde Distanz und kritische Haltung zu Verschwörungserzählungen zu bekommen. Zusätzlich möchte ich Euch noch vier konkrete Tipps aus der Wissenschaft geben:
- Studien zeigen: Warnungen vor Verschwörungsmythen und deren Gefahren hilft tatsächlich. Vor allem dann, wenn wir Menschen erreichen, bevor sie diesen Erzählungen folgen.
- Jede:r einzelne von uns kann außerdem bewusst auch kontraintuitiven Quellen folgen. Überlegt mal, was Eurem normalen Folge-Prinzip auf sozialen Medien widerspricht und folgt dieser Seite/Person/… Das geht auch außerhalb von digitalen Medien: Einfach mal eine andere Tageszeitung kaufen und eine andere Perspektive einnehmen.
- Daran schließt sich an: Sucht ganz aktiv nach Informationen, anstatt „nur“ die Informationen anzunehmen, die euch angeboten werden. Ihr findet eine Information merkwürdig? Sucht nach einer zweiten oder dritten Quelle oder sprecht mit Menschen darüber.
- Im Umgang mit Menschen, die anderen Überzeugungen folgen, sollten wir nicht aufgeben zu sprechen, zuzuhören und (auch kritische) Fragen zu stellen.
Das Wichtigste in einer Zeit wie dieser ist allerdings Offenheit im Umgang mit der eigenen Unsicherheit. Deswegen möchte ich mit den Worten der Kommunikationswissenschaftlerin Monika Taddicken abschließen: „Ich bin immer wieder positiv überrascht, dass die Kommunikation von Unsicherheiten vertrauensfördernd sein kann.“
Danke für die Bildrechte an Дмитрий Филюшин auf Pixabay
Weitere Quellen
→ Quarks (Übersicht) | Quarks (Warum Verschwörung?)
→ ZDF (Interview mit Katharina Nocun und Prof. Dr. Monika Taddicken)
→ Netzpolitik.org (Übersicht)
→ Mitte Studie (Friedrich Ebert Stiftung)
→ taz (Hygiene Demos)
→ BR (Verschwörungsglaube)
→ dlf Kultur (Interview mit Katharina Nocun)
→ Landeszentrale für politische Bildung
→ Hertie Stiftung (Interview mit Pia Lamberty)
→ Gesundheitsstadt Berlin (WHO – Impfgegner)